Mittwoch, August 27, 2008

Gefällt dir meine Schwester?

Nie hab ich im Leben so oft auf die Fresse bekommen wie als Teenager. Die Rahmenbedingungen waren ja auch denkbar schlecht: Schmächtige Gestalt, große Fresse, miese Gegend und ein nur mittelmäßig frisiertes Mofa. Da hatte man natürlich die Arschkarte, wenn man in Unterrath am Heinefeldplatz von der örtlichen Flory-Gang umzingelt wurde. Oder in der Pommesbude blöderweise in einer Ecke rumstand, wo der Fluchtweg leicht zu versperren war. Denn leider gab es außer sofortigem Reißaus keine andere Möglichkeit, die Diskussion über die Vorzüge der Schwester des Bandenchefs unbeschadet zu beenden.

Der arme Coffy ist jetzt quasi auch im Teenie-Alter und teilt dieses Schicksal. Erst ein feiger Nasenbiss von einem Kampfbeagle und jetzt ist er auch noch von einer miesen Dobersau angegriffen worden. Seine Hundefreundin hat auch was abgekriegt und ich hoffe, dass er sich tapfer dazwischengeworfen hat. Good Boy.

So ein Aufwachen aus der Narkose hat ja immer was bemitleidenswertes...



...aber am Tag drauf ging's ihm schon wieder gut und Utas T-Shirt erspart ihm die Halskrause. Nur die Nachbarskinder lachen immer über den Hund im Schlafanzug. Faß, Coffy, töte!!

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Dienstag, August 12, 2008

Modern Living.

Erwin ist ein Nachbar von mir. Er ist ca. 50 bis 70 Jahre und lebt alleine in einer kleinen Parterrewohnung im Vorderhaus. Das Leben hat den guten Erwin in den letzten Jahren auf einen harten Ritt mitgenommen. Früher war er ein ziemlich guter Schlosser, aber irgendwann ging dann die Scheiße los: Job weg, Frau weg und immer dieser furchtbare Durst! Sein nonchalantes Trinkverhalten führte unter anderem dazu, dass man ihm den halben rechten Stempel amputieren musste und ihm im Austausch einen schicken Rolli vor die Tür stellte. Dieses praktische Gefährt benutzt er aber nur in Situationen, in denen wir alle auch gerne so etwas hätten: Beim Bierkastentransport vom Getränkemarkt oder wenn er nachts rotzvoll aus der Kneipe nach Hause gleitet. Erwin hat eine kleine Terrasse, auf der sich rein gar nichts befindet außer einer Lidl-Plastiktüte, die sich irgendwann mal zwischen den Holzbohlen verfangen hat und seitdem dort lustig im Wind knattert. Der Rest der Terrasse ist mit einer beachtlich dicken und gleichmäßigen Staubschicht überzogen - unberührt jungfräulich wie Neuschnee am Kilimandscharo.

Erwin ist ein echt netter und umgänglicher Typ. Ständig auf Reiseflughöhe, gut gelaunt und streßfest. Coffy kann ihn überhaupt nicht leiden - besoffen und rollstuhlfahrend, das ist zuviel für den Hund. Erwin ist das wütende Gebelle aber scheißegal und er versucht ihn ständig zu streicheln. Alkohol macht mutig und Betrunkenen passiert bekanntlich nichts.

Wem das jetzt in den Ohren klingt wie eine Idealvorstellung vom irdischen Dasein, dem sei gesagt, dass auch Erwins Alltag nicht völlig frei von Sorgen und Nöten ist. Die Kohle zum Beispiel, die er vom Sozialamt für Strom und Gas überwiesen bekommt, muss der durstige Frührentner leider vollständig in flüssige Brennstoffe investieren und erlebt dementsprechend schon recht früh am Abend den nuklearen Winter im Wohnzimmer. Handwerklich begabt, hat Erwin aber die Lösung dieses Problems in Form einer veritablen Kabeltrommel und der Treppenhaussteckdose gefunden. Nachts um zwei, wenn alle (außer Uta und mir) schlafen, torkelt der King of Current zum Kelleraufgang und verzaubert mit einem Schukostecker-Klick seine düstere, kalte Höhle in ein behaglich-warmes Lichtermeer. Morgens um sechs, wenn die ersten das Treppenhaus betreten, verwandelt sich zwar die goldene Kutsche wieder in einen profanen Kürbis, aber dann geht ja auch langsam wieder die liebe Sonne auf und strahlt durchs Cinderellas blinde Fenster.

Erwin ist dabei bisweilen etwas unvorsichtig. Neulich habe ich mich mal fürchterlich erschrocken: ich kam nachts nach Hause und als ich den Hausflur betrat, wütete dort auf einmal wie aus dem Nichts ein wilder Sturm mit Rauschen, Grollen und Brodeln. Mit klopfendem Herzen stellte ich dann fest, dass Erwin die Kabeltrommel-Schlepperei an dem Abend wohl zu lästig war und er den Wasserkocher direkt im Treppenhaus eingestöpselt hatte.

Krämerseelen werden jetzt entrüstet den Finger in die Luft reißen und auf die Sachlage des unbefugten Missbrauchs von Allgemeinstrom hinweisen, aber das geht mir tatsächlich total am Arsch vorbei, solange Lord Voltage die Hütte nicht aus Versehen in Brand steckt. Ich habe ein ausgeprägtes Faible für Menschen, die ordentlich vom Schicksal durchgefickt wurden, bin dazu noch ein generöser Typ und Erwin tut mir ziemlich leid mit seinem einsamen Kerzenlicht beim Abendbrot. Vielmehr hatte ich schon überlegt, die paar Kröten für seine Grundversorgung an Energie auf meine Kappe zu nehmen, damit ein gutes Werk zu tun und einen potenziellen Kabelbrand zu verhindern. Wie gesagt, das HATTE ich überlegt. Und zwar genau bis zu dem Tag in der letzten Woche, an dem ich meine Stadtwerke-Abrechnung für das vergangene Jahr im Briefkasten vorfand: 1.257 Euro NACHZAHLUNG für Strom und Gas! NACHZAHLUNG, AMIGOS!!! Über dreizehnhundert Tacken hatte ich denen bereits vorausgezahlt.

Jetzt mal im Ernst: Die obere Etage wird nie geheizt und an Verbrauchern gibt es dort lediglich einen Radiowecker. Sprich, wir beide heizen die übrigen ca. 50 qm, die Bude ist vernünftig isoliert, gekocht wird aus der Gasflasche, der Backofen läuft vielleicht zweimal im Monat und zu meinen Hobbies zählt nicht gerade der Nachbau berühmter Teilchenbeschleuniger-Zentrifugen, mit denen ich zum Spaß im Bastelkeller Protonen kollidieren lasse.

Über die unverschämte Raffgier der Energieversorger und das kollektive Schulterzucken aller politischen Fraktionen möchte ich mich allerdings hier gar nicht auslassen. Vielmehr möchte ich an dieser Stelle sagen: Erwin, du visionärer Lüsterklemmenjockey, DU bist EL FUTURO! Du lebst den „Style of Tomorrow". Strom wird geklaut, Treibstoff wird privat abgepumpt und geheizt wird im Allesbrennerofen mit zerhackten Bushaltestellenhäuschen. Und dafür, dass ich dich nicht verpfeife, erklärst du mir demnächst mal, woher du deine coolen Vollchecker-Klamotten kriegst.

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