Mittwoch, Oktober 17, 2007

Die Angst! Der Schmerz! Die Agonie!



Im Prinzip habe ich gegen Zahnarztbesuche nichts einzuwenden. Mein Zahnarzt und seine Kollegin sind die besten Dentisten der Welt, voll Kompetenz und frei von diesen psychischen Defiziten, die so manchen Mediziner zur kalten Bestie werden lassen. Ich muss niemals warten, die Sprechstundenhilfen sind hübsch und freundlich und es gibt sogar einen gut gefüllten Getränkekühlschrank.

Die Sünden meiner Jugend habe ich mir schon vor 20 Jahren kaschieren lassen müssen. Unzureichendes Zähneputzen, kategorische Ablehnung von Zahnarztbesuchen, ständiges Abisolieren von Kabeln zwischen Schneide- und Eckzahn sowie eine (zahnschmelztechnisch gesehen) miserable genetische Disposition - das alles wurde mit 10 oder 15 harten Terminen und dem monetären Gegenwert eines Kleinwagens aus meinem Lebenslauf gebohrt. Und weil das zwar anstrengend und recht teuer, aber überhaupt nicht schmerzhaft oder fies war, ist seitdem meine Angst vor dem Zahnarzt weg. Außerdem gibt es da noch zwei Vorteile gegenüber der Konsultation anderer Ärzte: Erstens ist man nach der Behandlung nicht nur gesünder, sondern sieht sogar besser aus und zweitens stellt ein Zahnarzt selten vernichtende Diagnosen wie z. B. Gehirntumore, ALS oder Lungenkrebs. In meinem Alter ist sowas wichtig. Karies ist, glaube ich, non-lethal. Und Fehldiagnosen kosten einen höchstens mal ein bißchen Zahnschmelz und nicht das Leben.

Seit dieser Zeit trabe ich also brav dreimal jährlich los, lasse mein Gebiss durchchecken und bei der Gelegenheit die Überreste der ganzen Luckies runterkratzen. Kein Problem. Wenn da nicht der 2-8er wäre... (für nicht-Betroffene: Weisheitszahn, oben rechts).

Es ist nicht sehr lustig, wenn man über einen sehr langen Zeitraum hinweg dreimal jährlich auf eine lauernde Gefahr angesprochen wird und zugleich Zeugnis der eigenen Feigheit ablegen muss. Auch mein verzweifelt vorgebrachtes Argument, dass dieser bestimmt als letzter Zahn übrig bleiben würde und ich daran einen Klappermann aufhängen werde, wurde abgetan. An diesem Ding würde ich „mit Sicherheit überhaupt mal gar nichts aufhängen können" und die fortschreitende Karies an dem unzugänglichen Zahn wird mich eher in irgendeinem Urlaub aufgrund der unvermittelt auftretenden Schmerzen „in die Hände eines balinesischen Spaßdoktors treiben", der mir nicht nur zwei gesunde Zähne abbrechen, sondern mir auch noch „eine saftige Hepatitis verpassen wird”, die ich dann erstmal meiner Freundin erklären soll.

Es ist ja nicht so, dass ich Angst vor dem Zähneziehen habe. Immerhin hat man mir als Kind einen Zahn schon dann gezogen, wenn ein Stück Spinat hartnäckig daran feststeckte - so war das damals. Aber wen man auch fragt - jeder hat in Sachen Weisheitszahn schon grauenhafte Dinge selbst erlebt oder kennt zumindest jemanden, der fast daran verreckt wäre. Unter 3 Stunden OP-Zeit und 3 Tagen grün-blauer Fresse mit ballonartigen Schwellungen geht auf jeden Fall gar nix.

Ich habe in den letzten Jahren so ungefähr acht oder neun ExekutionsExtraktionstermine gemacht - und jeden davon kurz vorher wieder abgesagt. Der kleinste Grund zur Verweigerung kam mir gerade recht: ein Kunde, der sich vielleicht um den Zeitpunkt herum mal melden wollte, ein schweres (ja, ein wirklich schweres, echt!) Problem mit einem Auftrag, eine wichtige Verabredung am nächsten Tag oder ein leiser Anflug von Unwohlsein, der sich ja in einer schweren Grippe manifestieren könnte. Man will doch den Zahnarzt und seine Leute nicht anstecken. Irgendwann wurde es so schlimm, das ich den Zeitraum von einem Tag vorher (mentale Vorbereitungszeit) bis eine Woche nach dem Termin (elefantenköpfige Rekonvaleszenzphase) auf eventuelle Hindernisse abscannte. Ich fand natürlich immer etwas.

Gestern nachmittag war Termin Nr. 10. Ich hab ihn wahrgenommen. Ich habe mich todesmutig und gefasst auf den Stuhl gesetzt, der Doc hat mir ein paar Spritzen ins Maul gerammt, von seinem letzten Triathlon erzählt, dabei ein bißchen in meiner Mundhöhle rumgefuchtelt und - zack - hatte er den Riesenzahn in der Hand. Ich konnnte es kaum glauben – die ganze Sache hat höchstens 10 Minuten gedauert. Man dürfe keine Zange benutzen, sondern man müsse hebeln. Er hätte da so einen Trick und das hätte er mir immer schon gesagt, ich hätte es nur nie geglaubt. Jetzt ja.

Was noch besser ist: Ich habe überhaupt keine Schmerzen und die Wange ist noch nicht mal geschwollen. Der Weinflaschenkühler von Jacques Weindepot kann nicht der Grund dafür sein – der kühlt nämlich nur nach innen, wie ich feststellen musste. Wie blöd. Jetzt weiß ich wenigstens, warum das Ding Weisheitszahn hieß.

7 Comments:

Blogger stilhäschen said...

Abber gleich zu Jim Rakete gehen wegen dem Bild (jaja, Genitiv fürn Arsch, aber hallo). Schick!

Tatsächlich, da hat jeder einen Tip - meiner ist: weg mit dem Tiefkühllachs von der Wange! Sscheint zwar clever, weil kein dauerndes Kühlschrankgerenne und tut der Spritze sei Dank auch nicht weh, aber wenn einem drei Wochen später dann jemand sagt, dieser trockene Streifen auf der Wange sehe aus wie Opas in Sibirien abgefrorener Zeh, äh, naja. Sie wissen schon. Und wir wollen ja noch länger schicke Bilder sehen. Zum Beispiel mal die Gegenstücke des Wandposters!

5:08 PM  
Blogger Bob said...

Toll! ich bin stolz auf Dir, Alta;) Das hasse fein gemacht. Indiana Steini, mein Held. Und wie immer schön verfasst...

10:39 PM  
Blogger creezy said...

Du sehr großer starker, tapferer Mann, Du! Ich bin stolz auf Dich. Und wenn ich damit fertig bin, drücke ich die Daumen für den Rest Weisheit, das es mit denen im Falle eines Falles auch so simpel über die Bühne geht.

10:49 PM  
Blogger mac said...

Ey korrekt, hassu konkret krass jut jemacht.

Ja ja, die Zähne sind schon was. Mir haben se vor nem halben Jahr bei einem Kieferchirurgen einen eigentlichen gesunden Zahn bei einer Behandlung kaputt gemacht, so dass er gezogen werden musste. Letzten Montag hat mir mein Zahnarzt dann einen 11 x 4 mm großen Titanstift im Kiefer plaziert. Hat zwar nicht weh geatn, aber die vorangehenden Bohrarbeiten inklusive Handwerkszeug waren recht interessant.

In diesem Sinne Salve,

M. :-)

9:01 AM  
Anonymous Anonym said...

Hab' ich nie verstanden: geht einem die Weisheit flöten, wenn der Zahn gezogen wird oder ist man erst dann weise, wenn er fehlt?

Und ja, wie immer sehr schön und bildhaft formuliert.

@mekki: Titan im Zahn, wie cool. Ich hab Titan im Arm und im Knie. Unsere Witwen werden mal reich.

10:12 AM  
Anonymous Anonym said...

wäre ich jetzt 10 jahre jünger würde ich laut rufen: "lass uns neue helden machen, steini!"
so aber bleibt mir nur die stumme aber grenzenlose bewunderung, das aufstellen eines altars und die täglichen "übungen" davor. was sind das für fiese möppenposter?

1:10 PM  
Blogger Der_grosse_Transzendentale_Steini said...

@stilhäschen: Meine Kollegin hat sich bei der Gelegenheit eine MIttelohrentzündung eingefangen. Aber Erfrierungen sind auch toll!

@bob: "Steini und der Stuhl des Schreckens"

@creezy: Ich hatte zum Glück nur den einen. Bin der Evolution weit voraus. Haare brauchte ich ja auch keine.

@mekki+edler: Ihr werdet nicht begraben, sondern eingeschmolzen!

@morti: Extra für dich habe ich das "fiese Möppenposter" gepostet.

1:39 PM  

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