Dienstag, Februar 06, 2007

Proberäume.



Anderthalb Jahre ist es her, dass ich zuletzt in einer Band gespielt hab. Keiner hat sich getraut, die Sängerin rauszuschmeißen, weil wir befürchtet hatten, sie würde sich das Leben nehmen und deshalb haben wir uns kurzerhand komplett aufgelöst. Uns erschien das als die einzige vertretbare Lösung, nicht mit ihr in der Öffentlichkeit spielen zu müssen. Der Proberaum ist längst neu vermietet, aber meine Bassanlage schimmelt seit dem dort immer noch vor sich hin.

Heute abend habe ich befunden, dass es an der Zeit ist, mein Eigentum zu bergen, bevor ich es bei ebay zurückkaufen muss und hab mal bei den Jungs angeklopft. Tatsächlich war alles noch vollständig vorhanden und noch nicht mal bierverklebt. Wow! Ich habe dann noch ein wenig dort abgehangen und zugehört. Lustig - irgendwie ist jeder Proberaum eine kleine Parallelwelt, in dem immer die gleichen Dinge passieren, dasselbe geredet wird und die gleiche Gefühlswelt herrscht.

Da wären zum Beispiel die bei der Probe mitgeschnittenen Tapes, Minidiscs und Soundfiles, die so derart saugut und perfekt klingen - und zwar genau so lange, bis ein Fremder den Raum betritt. Ab diesem Moment klingt alles krumm und schief und total scheiße. Ähnliches trifft auch auf die performten Songs zu. Dann wäre da noch ein Bandmitglied, dem es gerade sauschlecht geht und allen in epischer Breite von seiner rätselhaften Krankheit erzählt, die ihn plötzlich befallen hat. Meist Schwindelanfälle, arge Kopfschmerzen oder Muskellähmungen. Es gilt daher zu entschuldigen, wenn er an dem Probeabend "nicht 100 Prozent geben kann". Ein weiteres Phänomen ist die Leergutproblematik. Auf Grund des niedrigen Luftdrucks im Keller ist es jedem Musiker möglich, an einem Abend acht Flaschen Bier (Drummer x 2,5) ohne Ausfallerscheinungen zu trinken. Vorrat wird auch reichlich angeschleppt, aber höchstwahrscheinlich ist noch niemals ein Musiker gesichtet worden, der auch nur eine leere Hülse wieder mit aus dem Raum genommen hat. Leere Flaschen werden erst auf dem Tisch, dann auf sämtlichen Verstärkern und schließlich vor der Tür gestapelt bis die Band sich irgendwann auflöst. Die nachfolgende Band kauft sich dann meist von dem Pfandgeld eine neue P.A.

Jede Amateurband steckt außerdem gerade in einer frustrierenden Schaffenskrise, die sich darin äußert, dass man innerhalb von drei Proben 11 Songs komponiert und perfektioniert hat, aber seit 23 Wochen am 12. Song rumdoktort. Die Vollendung eines weiteren Stückes wird zusätzlich dadurch erschwert, dass rotierend genau ein Bandmitglied fehlt. Egal, ob es sich um ein Trio oder eine 8-Mann-Combo handelt. Und schließlich gibt es immer die launenhafte Sängerin, die während des Singens an ihren Songtexten rumschreibt, aber völlig die Nerven verliert, wenn Bassist und Drummer mal fünf Minuten alleine einen Groove üben wollen. Das geht dann so: Erst mauliges Hinfläzen auf dem Sofa und Zigarette anmachen, nach einer Minute ein Buch rauskramen, nach drei Minuten Tonleitern in den Groove reinsingen und nach maximal vier Minuten Jacke anziehen und beleidigt den Raum verlassen.

Trotz alledem liebe ich Proberäume über alles. Ich vermisse sie und ich glaube fast, ich könnte in einem wohnen. Sind so gemütlich.



10 Comments:

Blogger creezy said...

Genau, und je nachdem welche Scheibe der Gitarrist gerade hört spielt er – seiner Meinung nach – voll Hendrix‘ like …

Steini, Du brauchst ganz dringend wieder ‘ne Band. Würde ich mal so tippen.

11:58 PM  
Blogger mq said...

Beste Beschreibung von Schlagzeugern (8 X 2,5) und Jodeldivas, die ich jemals gelesen habe. Und von Proberäumen!

9:02 AM  
Blogger Bob said...

Aber Steini. Das IST doch bei Dir zuhause... oder nich?

1:55 PM  
Anonymous Anonym said...

Nein, das ist im Büro. Das sind die leeren Flaschen von Doc Snider. Haben wir die damals beim Umzug mitgenommen?

Ist das ein AC30 da in der Ecke?

2:28 PM  
Anonymous Anonym said...

Bei Drummern fällt mir immer dieser blöde alte Witz ein:

Wie nennt man jemanden der viel Zeit mit Musikern verbringt?

2:41 PM  
Blogger Der_grosse_Transzendentale_Steini said...

@creezy: Treffer.
@mq: Danke. Eine singende Schlagzeugerin würde Bände füllen!
@Bob: Nein, es sieht nur sehr ähnlich aus.
@Edler: Doc Snider war selbst die leerste Flasche weit und breit. Außerdem hat der immer nur Cola geschluckt / Ich glaube ja, es ist ein AC-30 / Ein freier Mitarbeiter hat neulich zu mir gesagt: Ach, Bassisten, das sind doch die Typen, die immer mit Musikern abhängen. Arsch!

4:43 PM  
Anonymous Anonym said...

pass auf steini: dein wunsch nach einer probenraumwohnung geht in ordnung. ich bringe dir zur einweihungsfete eine spandex-hose, einen mikroständer mit seidentüchern und einen alte entbeinte orange-hupe mit lichterkette drin als coole fickbeleuchtung mit! die duften kumpels sorgen für authentischen flurschaden und hauptsache die session geht über 2 wochen. danach willst du nur noch wohnen, egal wo. ich freu mich schon! : )

5:39 PM  
Blogger Der_grosse_Transzendentale_Steini said...

Ach Scheiße, Morti. Du bist immer so ekelhaft abgeklärt und demoralisierend. Fuck you, you fuckin' fuck!! :-)

12:20 AM  
Anonymous Anonym said...

vesrtändnis! : )

10:18 AM  
Anonymous Anonym said...

ah, ein kleines eigenes fussballstadion also - die jungs unter sich! :)

12:46 PM  

Kommentar veröffentlichen

<< Home