Donnerstag, Februar 08, 2007

Der Tod trinkt Tokajer.

Irgendetwas stimmte nicht. Sein sensibles Gehör hatte ein feines Geräusch registriert und hatte unverzüglich ein alarmierendes Signal an sein Überlebenszentrum gesendet. Sanft weckte er das samthäutige Mädchen aus Kolumbien, das nur halb bedeckt unter einem leichten Leinen neben ihm geschlafen hatte und preßte dabei seinen Zeigefinger fest auf ihre vollen Lippen, die sich zu einem erschreckten „O" geformt hatten. Ihre großen brauen Augen schauten ihn ängstlich an. Sie atmete schnell. Der Florist rollte sich katzenartig vom Bett herunter, streifte sich mit einem Arm ein leichtes Shirt über seinen sehnigen Oberkörper und griff mit dem anderen zu der silbrig-glänzenden SIG Sauer P6 „Safe Action“, die neben ihm auf dem Fußboden lag. Die Waffe sah so kampfbereit aus, als hätte sie dort Wache gehalten, während sich der dampfende Schweiß ihres Besitzers mit dem stoßweisen, heißem Atem des Mädchen verbunden hatte und als süßes Kondensat auf den Fenstern des Hotelzimmers niederschlug.

Wie ein lebendiger Schatten bahnte er sich lautlos den Weg durch die geräumige Suite des Bilk International. Sein Herzschlag stieg unter der extremen Anspannung kaum merklich an - zu oft hatte er sich schon in dieser gefährlichen Situation befunden. Nur mit einem leichten Kribbeln, das von seinem Nacken aus den Rücken herunterkroch, zollte sein Körper der unmittelbaren Bedrohung Respekt. Er atmete tief ein, schloß für einen Sekundenbruchteil die Augen und konzentrierte sich auf die Worte seines alten Meisters, damals in den Hochebenen von Huangnan: „Die Zeit erscheint nur dem Langsamen kurz - dem Behenden ist sie ein treibendes Blatt auf den weichen Wogen des Tong-Tian." Explosionsartig wirbelte er die letzten Meter vor und stieß mit dem Fuß die Tür zur Terrasse auf, auf deren kalten Boden er nur einen Wimpernschlag später bereits mit der durchgeladenen Waffe im Anschlag kniete.

Die Anspannung wich aus seiner Muskulatur, als er erkannte, dass keine Gefahr bestand. Wahrscheinlich hatte ein hungriger Vogel fatalerweise die todesbringende Kette seiner Reaktionen ausgelöst. Der Sturm jedenfalls hatte seinem geliebten Knoblauchzopf vom Plattensee-Urlaub nichts angetan.


5 Comments:

Blogger creezy said...

Na wie großartig bist Du denn? Du lenkst mich ja direkt von meiner großen untröstlichen Anna-Nicole Smith-Trauer ab, Du schlimmer Finger, Du!

10:25 PM  
Anonymous Anonym said...

hör mal, den kenn ich doch, das ist sjöwall und die frau in seinem bett heißt walhöö. pass bloß auf steini chandler, die beiden sind saugefährlich! ; )

9:38 AM  
Anonymous Anonym said...

HAHAHAHA,
klasse krimi zum frühstückskaffee!
ich hoffe es gibt eine fortsetzung!

10:26 AM  
Blogger mq said...

Und der Typ darunter wohnt am Strand, oder?

10:54 PM  
Blogger stilhäschen said...

Meister, das ist großes Kino.

2:28 PM  

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