Sonntag, Januar 21, 2007

Und ewig grüßt das doofe Kamel.



Ich habe eigentlich nicht viele Rituale. Die wenigen, die ich hab, werden überwiegend in den Morgenstunden vollzogen. Der Grund dafür ist einfach der, dass ich früh immer derart verstrahlt bin und mich an meinen Gewohnheiten entlang in den Tag reintaste. Es sind aber auch keine gewaltigen Dinge, nur dass es besser, sich _vor_ dem Duschen zu rasieren (weil ein aufgeweichter Bart schlecht zu mähen ist) aber die Kontaktlinsen erst nach der Brause reinzufummeln (damit sie nicht direkt aus den Augen in den Abfluss gespült werden). Schön ist es auch, wenn ich daran denke, die Espressomaschine vor der Morgenwäsche einzuschalten um nicht danach noch eine Viertelstunde auf die noch blinkende Lampe zu starren wie eine Katze auf den Wellensittich.

Nun hat aber vor einem Jahr der Zippenmann nebenan seine blöde Speiseeistheke um eine vernünftige Espressobar und eine Vitrine mit leckeren Brötchen erweitert und mich damit als regelmäßigen Kunden gewonnen. Sein Eis konnte er sich schon immer in die Haare schmieren (ich versteh nicht, wie die Leute im Sommer eine dreiviertel Stunde vor so einem Gelatiheini anstehen können), aber mein Einkaufsportfolio von einer Schachtel Luckies habe ich seitdem mit einem Milchkaffee to go und einem belegten Brötchen angedickt. Ich fahre einen VW-Bus, und morgens Bullifahren und dabei Kaffeetrinken passt zusammen wie Erdbeeren und Schlagsahne. Noch ein Ritual.

Die Zippen-Snack-Bude wird betrieben von einem mittelalten Jugo-Pärchen und das ist eigentliche Problem. Genau genommen sie – die Jugo-Frau – denn sie managed die Espressobar. Die beiden sind echt ein schräges Paar. Er turnt schon frühmorgens im schicken dreiteiligen Anzug, mit Zigarrillo in der Schnauze und gegelter Helmfrisur durch die Bude, sie sieht auf dem Kopf aus wie ein aufgeplatztes Polsterkissen, das im Regen von einem Sattelschlepper überfahren wurde. Ich warte jeden Tag darauf, dass sie noch die Rundbürste im Haar stecken hat, dafür aber ohne Rock hinterm Tresen steht. Er grüßt knapp und freundlich und legt mir meine Luckies auf den Tresen, sie grinst mich verwirrt und dämlich an – so ungefähr wie Miraculix in „Kampf der Häuptlinge", wo er durch einen Hinkelsteintreffer sein Gedächnis verloren hat.

Ich gehöre nicht zu den Menschen, die es ganz dufte finden, in der Pommesbude mit „Wie immer, Heinz?" begrüsst zu werden, aber andererseits komme ich mir vor wie ein bekiffter Papagei, wenn ich an 200 Tagen im Jahr einen Dialog durchziehen muss, der ungefähr so abgeht:

„Sie bekommen einen... äh...." „Ja genau, großen LaMa zum mitnehmen." „Noch was dabei?" „Ja, Mehrkornbrötchen mit Schinken. Oder Pute, egal. Mit Gurke". „Soll ich Ihnen eine Scheibe Gurke draufschneiden?" „Gute Idee!" „Schinkenbrötchen müsste ich machen, möchten Sie Pute?" „Nee klar, Pute ist kein Problem. Passt ja auch prima."

Jedesmal versucht sie dann minutenlang, mit der blöden Zange das Brötchen (übrigens meistens ein normales, das mit dem verpatzten Mehrkorn reklamiere ich schon gar nicht mehr) in die viel zu kleine Papiertüte zu stopfen. „Titte ist ssu klain für dike Bretchen!" Ich frage mich, ob die vor einem Jahr eine Europalette voll Tüten gekauft haben bevor sie ihre Brötchen ausgemessen haben oder ob es möglich sein kann, dass jemand so dämlich ist, immer wieder den gleichen Fehlkauf zu tätigen?

Da sie mittlerweile gemerkt hat, dass es viele Leute morgens recht eilig haben, schiebt sie vor der Brötchentütenpirouette schon den Becher unter die Kaffeemaschine und drückt auf die Starttaste. Leider stellt sie den Becher immer(!) so unter den Auslass, dass entweder die Milch halb dran runterläuft oder ihn komplett verfehlt. Mein lakonisches „Der Becher!" gehört zu meinem Morgen wie das österliche Urbi et Orbi zum Vatikan. Dafür darf ich niemals selber den Deckel auf den Becher drücken und muss hilflos mit ansehen, wie sie das Ding mit feierlicher Miene auf den Rand porkelt. Wahrscheinlich hat sie dafür eine 14-tägige Schulung bei Segafredo besucht. Das Ergebnis der Abrechnung warte ich schon lange nicht mehr ab, ich lege ihr das Geld hin und bin höchstwahrscheinlich schon im Auto, wenn sie es mit unsicherer Stimme verkündet.

So fünf-, sechsmal im Monat ist mächtig dicke Luft in der Bude, wenn ich reinkomme. Er fummelt wortlos irgendwo im Hinterzimmer rum und sie hat rote Augen und grinst etwas weniger dämlich. Ich hab sie am Anfang mal in den Arm genommen, weil sie mir leid tat. So ein Jugo-Mann kann ganz schön fies sein. Mittlerweile kann ich das aber leider nicht mehr. Echt nicht. Das ist da kein Ding für Stammkunden kurz vor dem Durchdrehen. Zum Glück zieh ich nächsten Monat da weg.

6 Comments:

Anonymous Anonym said...

hör ma, was du dringend brauchst ist eine okaye espressotöle. der stier trennt sich ansich ja ungern von seinem bestand-jedoch es ist an der zeit! diese kleinen nespressomaschinchen machen dir in max. 1 minute schwarzes schaumgold und lecker ist das zudem. 99 schleifen-auch in deinem mediamarkt. was mir sorgen macht ist diese umarmung der jugofunz...hast du anschließend dein geld nachgezählt? okay. aber mach das bitte nie mehr.
ich denke aber, nach deinem umzug wirst du einen neuen tollen kiosk, wahrscheinlich unter türkregiment finden. "isch durucke disch da daume!" ; )

10:24 PM  
Blogger Der_grosse_Transzendentale_Steini said...

Du hast völlig recht - der Stier hält gerne lange an Dingen fest. Mein Siebträgerreaktor wird keinesfalls gegen so eine Ü-Ei-Kiste eingetauscht. Und die Jugofunz hat keine Tricks drauf. Die ist froh, wenn sie ihre Mantelknöpfe zu kriegt. Ich kann halt keine Frauen weinen sehen. Auch keine lobotomierten.

11:06 PM  
Anonymous Anonym said...

die schlechte message ist: auf meinem küchenschrank warzt eine "la pavoni europiccola"-siebträgersau vor sich hin. und weshalb? weil sie viel zu lang braucht um aufzuheizen, zu laut ist und kein gutes ergebnis präsentiert. sieht nur gut aus die schlampe. das ü-ei dagegen ist ein treuer helfer in der kaffeenot. was ich allerdings noch ganz dringend brauche ist eine neue lieferung nespressokapseln....ich HEUL (hint, hint!) übrigens gerade steini!

11:22 PM  
Anonymous Anonym said...

oh gott, du ärmster!
ich habe einen kiosk an der u-bahn, der seit einigen monaten auch von einem jugoslawisch-bretonischem-wasauchimmer-pärchen betrieben wird. ist sie da, ist alles okay. ist er da, wird es anstrengend. und das, obwohl ich nur luckies und eine mopo brauche.
jedes mal wenn er da ist, gibt es keine luckies. mir macht das nichts, kaufe ich sie halt woanders. für ihn ist das aber ein weltuntergang. ich lege die 50 cent für die zeitung hin, lächle freundlich und will wieder gehen, dann fängt er immer (IMMER) an mir andere marken anzudrehen. "marlboro?" "nö, danke, ich rauche nur luckies" - "goloase?" - "nö, danke, ich rauche nur luckies" - "du scho probiere prinze dennemarke?" - "nö, danke, ich rauche nur luckies!" - "habe ich noch kammel!" - "nö, danke ....!".
blöderweise kann man von aussen nicht sehen, wer gerade im kiosk ist, sonst würde ich da gar nicht erst reingehen.

wie wäre es, herr steini: sie holen mich morgens mit dem bully zur arbeit ab, dafür bringe ich das frühstück und den kaffee mit?

und was die arme jugofrau betrifft: mit einer ähnlichen blitzbirne arbeite ich seit 7 jahren zusammen. da gibt's kein mitleid, egal wie rot die augen sind!! da gibt's nur mordgelüste!

8:32 AM  
Blogger Der_grosse_Transzendentale_Steini said...

@Morti: Ooch, komm mal her, du armes Kitteltier!
@Zoee: D'accord. Extreme Blödheit macht einen superaggro. Ach, und ich weiß zwar nicht, wann du anfangen musst, aber ich werd dich morgens nicht allzu früh abholen können. Lange Anfahrt, iss besser schon mal ein Schnittchen!

11:42 AM  
Blogger creezy said...

Du verlässt sie?

Du Schwein!

12:26 PM  

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