Montag, Juni 26, 2006

Creatures from hell.

Ich bin ja bekanntlich ein Schönwettercowboy. Kälte verurteile ich zutiefst und verabscheue daher alle Arten von Wintersport, ausgenommen Schlittenfahren im Bergischen Land. Bei muckeliger Wärme fühle ich mich pudelwohl und als starker Raucher behandelt mein Metabolismus eine frische Seebrise eh genauso wie den Smog in Bangkok im Juni.

Als ich gestern nachmittag aus dem Laden kam und mich aufs Fahrrad schwang, hatte ich auf einmal ein totales Urlaubsgefühl im Körper. Schön warm, bedeckter Himmel, leichter warmer Wind, in dem man sich so kuschelig geborgen fühlt wie ein Embryo im Mutterleib. Ich habe mich da ein bißchen reingesteigert und bin gerade an Palmenhainen anstatt von Platanen vorbeigeradelt und da geschah es. Erst war es nur ein fernes Geräusch von Glockenspielen und Pferdegetrappel aber dann - kurz hinter der Ecke, wo sich gerade noch eine blaugrüne Lagune in die Karolingerstraße gearbeitet hatte - sah ich es vor mir und es war grauenhaft: Der große Bilker Schützenzug fraß sich wie ein häßlicher, warzenbesetzter grüner Waran durch die Straße.

Ich fiel tief von meiner rosa Wolke runter und schlug brutal hart auf. Man kann sich das ungefähr so vorstellen: Du triffst die schönste Frau, die Du je in Deinem Leben zu Augen bekommen hast. Sie bewegt sich langsam und katzenartig auf Dich zu und schaut Dir tief in die Augen, bis Du gegen eine drohende Ohnmacht kämpfst. Sie kommt ganz nah zu Dir, öffnet ihre wunderschönen Lippen und sagt: "Ha noi, isch mag die Flibbers für mei Läbbe gern höre. Kannscht die auch so gut leide, Schpatzele?"

So ungefähr war das. Ich hatte die Vorzeichen der drohenden Eruption schon die letzten Tage kritisch beäugt, aber was dort aus den lebensfeindlichen, dunklen Tiefen der Eckkneipen ans Tageslicht quoll, war wirklich entsetzlich. Diese Biersoldaten mit ihren Holzgewehren und vor allem diese stocksteife Ordnungsaufstellung macht mich regelmäßig fertig und lässt mir kalte Schauer über den Rücken laufen. Ich bin eh kein so großer Freund von Brauchtum, nicht nur in Deutschland. Spanische Prozessionen finde ich bedrohlich und in Thailand zu Neujahr von Halbwüchsigen mit Wasserschwällen vom Mofa gespült zu werden, ist auch nicht so mein Ding. Aber das schlimmste am sogenannten Brauchtum ist, das keiner mehr weiß, worum es eigentlich geht und sich das ganze nur noch symptomatisch abspielt. Und das können wir deutschen Vereinsmeier ganz besonders gut. Fester Termin, hierarchische Ordnung, in Stein gemeißelte Rituale, Augen zu und durch und dafür zur Belohnung als Tagesordnungspunkt die Hirse fluten. Heute haun wir auf die Pauke.

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

Geht mir genauso. Wir wohnen gegenüber einer Kirche, die alljährlich von Schützenzügen missbraucht wird. Angeblich geht's da um irgendein Einweihungsritual. Keine Ahnung, ob das vor oder nach dem Einzug der uniformierten Deppen begangen wird. Erst geht's in die Kirche, dann gegenüber in die Kneipe (oder zum Kiosk) und dann wieder an die Kirchenmauer zum Pinkeln. Kein Witz. Vier Züge trafen sich da gestern, jeder mit seinem eigenen Spielmannszug. Früher wurden auf diese Weise wahrscheinlich Feinde in die Flucht geschlagen. Ist heute noch genauso. Wir verlassen immer beim ersten, von weitem hörbaren Fanafarenstoß die Wohnung.

12:00 PM  
Blogger Der_grosse_Transzendentale_Steini said...

Beileid zu eurem Exodus. Das ist echt ein gutes Beispiel: Erst beten und dann drauf pissen. Mir ist noch ein passendes Adjektiv eingefallen: "volkstümlich". Brrr. Kein Wunder, dass sich das ähnlich anhört wie "volldümmlich".

12:12 PM  

Kommentar veröffentlichen

<< Home